3 Beschreibung des
Haftverhaltens
3.1 Adhäsion
3.2 Theorien
der Haftvorgänge
3.3 Theorien
der Ablösevorgänge
3.4 Benetzungsverhalten
3.5 Kontaktwinkel
3.6 Oberflächenspannung /
Oberflächenenergie
3.7 Grenzflächenspannung
3.8 Einfluss von Wasser
3.1
Adhäsion
Als Adhäsion bezeichnet man das Haften zweier unterschiedlicher
Stoffe aneinander. Beim Kontakt eines Feststoffes
mit einem anderen Feststoff, einer Flüssigkeit oder einem Gas
treten an der Grenzfläche der beiden Stoffe automatisch anziehende
Wechselwirkungen zwischen den Teilchen auf, aus denen diese Stoffe
bestehen. Diese Anziehungskraft zwischen den beiden Stoffen wird
Adhäsion genannt, die als Widerstand gegenüber einer
trennenden Beanspruchung des Verbundes auftritt. Dabei spenden bei der
Haftverbindung der Haftpartner Bitumen / Mineralstoff beide Stoffe
einen adhäsiven Beitrag.
Adhäsive Eigenschaften von Asphalten machen
sich in zweierlei Hinsicht bemerkbar:
· Als Benetzung der Kornoberfläche durch
das Bindemittel bei der Asphaltaufbereitung (aktive Haftung)
· Als Verdrängungswiderstand des
Bindemittelfilms von der Kornoberfläche durch Wasser während
der Nutzungsdauer von Asphaltbelägen (passive Haftung). [16]
Eine „aktive Haftung“ des Bitumens am Gestein findet statt, wenn
das Bindemittel selbst in der Lage ist das Wasser von feuchten
Gesteinsoberfläche zu verdrängen. Haftung unter Mitwirkung
äußerer Kräfte, wie z.B. bei
übermäßigem Porendruck, beschreibt die „passive
Haftung“. Die „passive Haftung“ beschreibt somit den
späteren dauerhaften Widerstand gegenüber einer
Wasserverdrängung. [5]
3.2 Theorien
der Haftvorgänge
Um die Haftvorgänge zwischen Bitumen und Gestein beschreiben zu
können, wurden unterschiedliche Adhäsionstheorien aufgestellt.
In der Literatur sind verschiedene Theorien
angegeben, von denen keine die Adhäsion im ausreichenden
Maße
umfasst.
Letztlich müssen die chemischen und physikalischen
Wechselwirkungen, sowie eine mechanische Verankerung zwischen den
Verbundkomponenten im Zusammenhang betrachtet werden.
Zur Überschaubarkeit sind hier ohne Anspruch auf
Vollständigkeit vier Theorien dargestellt.
3.2.1 Mechanische Theorie
Die mechanische Theorie erklärt die Haftung mit Hilfe des Modells
der Verzahnung zwischen Gestein und Bitumen. Das flüssige
Bitumen dringt in die Poren und Risse der Gesteinsoberfläche ein.
Bei Abkühlung des Bindemittels kommt es zu einer Verankerung der
beiden Stoffe.
Bei dieser Theorie ist zu beachten, dass poröse
Gesteinsoberflächen zu einer Vergrößerung der
Kontaktoberfläche führen. Dies hat
wiederum nach der Theorie der molekularen Orientierung eine
Erhöhung der Adhäsion zur Folge.
Vereinfacht sagt die mechanische Theorie im Vergleich zu einer glatten
Oberfläche eine verbesserte Haftung bei rauen
Gesteinsoberflächen aus. [18], [22]
3.2.2 Chemische Theorie
Die chemische Theorie geht von einer chemischen Reaktion
zwischen Bitumen und Mineralstoff aus. Untersuchungen des
Haftungsvermögens an sauren und basischen Gesteinen haben
deutliche Unterschiede gezeigt. Z.B. hat VOGLER unterschiedliche
Gesteinsarten untersucht und dabei ein schlechteres Haftverhalten
gegenüber sauren Gesteinen festgestellt. [24]
In der Literatur ist die Theorie teilweise umstritten, da
chemische Reaktionen irreversibel sind. Bitumen zeigt wiederum
reversible
Reaktionen in Anwesenheit von geeigneten Lösungsmitteln.
[17]
3.2.3 Theorie der molekularen
Orientierung
Das Bitumen und die Oberfläche des Gesteins besitzen unterschiedliche
Ladungen. Kommt es zur Berührung
der beiden Stoffe orientieren sich die Moleküle
des Bitumens in Richtung Grenzfläche. Sie richten sich
so aus, dass sie den Energiebedarf der Gesteinsoberfläche
sättigen. Bei diesem Ablauf wird ein negatives
Molekül des Gesteins von einem positiv geladenen Molekül des
Bitumens neutralisiert.
3.2.4 Thermodynamische Theorie
Die thermodynamische Theorie wird auch als Theorie der
Grenzflächenenergie bezeichnet. In der Literatur bekommt
die Theorie großen Zuspruch. Sie beschreibt die Benetzung,
Ausbreitung
und Ablösung des Bitumens als einen thermodynamischen Ablauf, der
von der Oberflächenenergie der Stoffe abhängig ist. Dabei
wird
der Einfluss der Polarität der Moleküle besonders
berücksichtigt.
So konnte beim Benetzungsvorgang ein Energieverlust durch
Abgabe von Immersionswärme (Benetzungswärme)
festgestellt werden.
Polare Flüssigkeiten werden im Vergleich zu nichtpolaren
Flüssigkeiten von Gesteinsoberflächen verstärkt
angezogen. Diese Theorie unterstreicht das Verhalten von Wasser. Wasser
ist eine stark polare Flüssigkeit. Diese Eigenschaft könnte
das Ablösen des Bitumens vom Gestein begründen. [17],
[18]
3.3 Theorien der
Ablösevorgänge
Für das Versagen der Haftverbindung zwischen Mineralstoff und
Bitumen sind zwei Ursachen zu nennen:
· Unzureichende Kohäsion innerhalb des
Bitumens
· Mangelnde Adhäsion an der
Grenzfläche: Bitumen – Mineralstoff
Die Hauptursache für Adhäsionsfehler ist
der Einfluss von Wasser. Bei getrockneten Mineralstoffe mit
sauberer Oberfläche sind meist nur Haftverluste durch fehlende
Kohäsion im Bitumen zu erwarten, sofern kein Wasser anwesend ist.
3.3.1 Porendrucktheorie
In Asphaltschichten können sich in den Poren bzw. den Hohlräumen
Porendrücke in Anwesenheit von Wasser entwickeln.
Zusätzlich sind Porendrücke durch Dampfdrücke zu
erwarten.
Die Porendrücke sind entweder mechanischen oder thermischen
Ursprungs. Das Wasser dringt dabei in die unterschiedlich großen
Poren im Asphalt ein. Durch die Beanspruchung infolge
Radüberrollungen wird das Wasser in die Poren gedrückt,
woraufhin hohe Porendrücke entstehen können. Es kann zu
Bindemittelablösungen kommen, sobald die entstehenden
Kräfte aus den Porendrücken die adhäsiven
Kräfte zwischen Bitumen und Gestein
übertreffen.
Porendrücke die sich aus thermischen Effekten entwickeln, sind
durch die Volumenzunahme des Bitumens und Wassers
begründend. In den Hohlräumen des
Asphalts dehnt sich das vorhandene Wasser infolge
Temperaturzunahme aus. Es entstehen Spannungen innerhalb der
Hohlräume, die die Haftung zwischen Bitumen
und Mineralstoff zerstören können.
[17],[18], [19]
3.3.2 Verdrängungstheorie
Die Verdrängungstheorie geht von einer Störung des
Gleichgewichtszustandes zwischen Bitumen und Mineralstoff in
Anwesenheit von Wasser aus. Diese Theorie greift, wenn das
Gestein von vornherein nicht vollständig mit
Bitumen umhüllt war. Das Wasser findet infolgedessen Zutritt zur
Grenzfläche Mineralstoff / Bitumen und verdrängt
aufgrund der höheren Oberflächenspannung bzw. polaren
Anteile das Bitumen.
Die Verdrängung des Bitumens ist dabei von dessen Viskosität
abhängig. Hochviskose Bitumen haben einen höheren Widerstand
bei der Verdrängung durch Wasser.
Die Verdrängung des Bitumens wird in Abbildung 4 deutlich.
Die Berührungsstelle A befindet sich nach Wasserzutritt nicht mehr
im Gleichgewicht und zieht sich zur Berührungsstelle B
zurück. In dieser Lage stellt sich für das Bitumen und dem
Kontaktwinkel des eingesetzten Gesteins ein Gleichgewicht ein. [17],
[18]
Abb.4:
Zurückdrängen des Bindemittels auf der
Gesteinsoberfläche durch Wasser [18]
Diese Vorstellung der Bindemittelverdrängung trifft
in der Praxis zu wenn:
· Mineralstoff nicht vollständig mit
Bitumen umhüllt
· Das Bitumen hat seine endgültige
Viskosität noch nicht erreicht (Regenfälle beim Einbau mit
heißem Asphalt)
· Bei Splittverlusten auf der
Asphaltoberfläche
3.3.3 Unterwanderungstheorie
Bei dieser Theorie wird die Haftverbindung zwischen Bitumen und
Gestein gestört, indem das Bitumen an der Grenzfläche
durch den Einfluss von Feuchtigkeit unterwandert wird. Die
Bitumenumhüllung am Gestein bleibt dabei erhalten.
In diesem Fall rückt Feuchtigkeit, die aus dem Inneren des
Gesteins oder von außerhalb stammt, an die Grenzfläche vor
und bildet einen dünnen Wasserfilm. Die Feuchtigkeit aus
dem Gesteinsinneren gelangt dabei durch Kapillare an die
Grenzfläche. Von außerhalb diffundiert die
Flüssigkeit im flüssigen oder gasförmigen Zustand
durch den Bitumenfilm hindurch. Die Geschwindigkeit ist von der
Filmdicke des Bitumens und dessen Wasserdurchlässigkeit
abhängig. Zu einer verstärkten Unterwanderung kann
es bei mit Staub verunreinigten Gesteinsoberflächen kommen.
In Gegenwart von Wasser an der Gesteinsoberfläche kommt
es bei den meisten Gesteinsarten zur Bildung negativer Ladungen
im Bitumen. Da beide Oberflächen die gleiche Ladung aufweisen,
stoßen sie sich ab. Infolgedessen wird der
Ablösevorgang durch das vermehrte Eindringen von Wasser
verstärkt.
Untersuchungen nach HUGHES (1960) haben eine vermehrte Ablösung
bei Mineralien mit hohem Quarz und Feldspat ergeben. Zusätzlich
wurde besonders bei niedrigviskosen Bitumen eine Wiederverklebung in
trockener Umgebung nach vorherigem Zustand der Trennung beobachtet.
[17], [18], [22]
3.3.4 Filmbruchtheorie
Die Filmbruchtheorie geht von einem Bruch des Bitumenfilms infolge
dynamischer Lasteinwirkungen aus Verkehrslast aus. Besonders an
scharfen Kanten und Ecken, wo der Bitumenfilm am dünnsten ist, ist
ein Riss des Films zu erwarten.
Durch den Riss des Bitumenfilms ist die vollständige
Umhüllung gestört, so dass eindringendes Wasser das
Bindemittel
weiter verdrängen kann. [18]
3.4
Benetzungsverhalten
Die Benetzung ist die Wirkung, die aus dem Streben eines
Festkörpers resultiert, mit einer Flüssigkeit eine
möglichst große gemeinsame Grenzschicht zu
bilden, die Flüssigkeit also auf der
Festkörperoberfläche zu einem Film spreiten zu lassen.
Demgegenüber hat eine Flüssigkeit das Bestreben,
selbst eine möglichst kleine Oberfläche auszubilden,
also einen kugelförmigen Tropfen zu erzeugen.
Die Benetzung an der Grenzfläche wird folglich durch
das Gleichgewicht aus Adhäsion und Kohäsion
bestimmt. Die Oberflächenspannung der Flüssigkeit
(Kohäsion) verkleinert die Oberfläche, die Adhäsion
zieht die Oberfläche längs der angrenzenden Fläche
auseinander. Somit ist die Benetzung um so besser, je größer
die Beweglichkeit der Moleküle in der Flüssigkeit
ist. Demzufolge nehmen mit abnehmender Viskosität die
Kohäsionskräfte, die den Dipolkräften zwischen den
Molekülen des Bitumens und
des Gesteins entgegenwirken, ab.
[8]
Benetzungsfälle:
Adhäsion >>
Kohäsion
|
benetzend
|
Adhäsion <<
Kohäsion
|
nicht benetzend
|
Diese beiden gegenläufigen Bestrebungen führen zu
einem Gleichgewichtszustand, der sich beispielsweise an einem
Flüssigkeitstropfen auf einer Festkörperoberfläche
beobachten lässt. Wie sich dieser Tropfen ausbildet, hängt
vom Verhältnis der freien
Oberflächenenergien der drei beteiligten Phasen
(Flüssigkeit, Festkörperoberfläche,
umgebendes Medium) ab.
Im Allgemeinen reicht es, bei Abwesenheit von Wasser, nur
die Flüssigkeit und die Festkörperoberfläche zu
betrachten, da die umgebende Luft nur eine geringe Rolle
für die Benetzung spielt. Die Benetzungsfähigkeit kann nach
HARKINS und FELDMAN mit dem sogenannten Spreitungsdruck
dargestellt werden. Der Spreitungsdruck Dsl ergibt sich aus der
Differenz
zwischen der Adhäsionsarbeit und Kohäsionsarbeit der
Flüssigkeit. Die Kohäsionsarbeit folgt aus Wsl = σs + σl –
σsl. Da die Grenzflächenspannung sich zu Null ergibt, ist die Kohäsionsarbeit:
Wl =
2 · σl
Spreitungsdruck: Dsl = Wsl
–
Wl
kombiniert mit: Wsl = σs + σl – σsl und Wl = 2
· σl
Dsl = σs – (σl + σsl)
Die Gleichung gibt Aufschluss auf den Einfluss der
Oberflächenspannung der Phasen. Ein positiver Spreitungsdruck wird
erreicht, wenn die Oberflächenspannung des Feststoffes σs
größer als die Oberflächenspannung der Flüssigkeit
σl ist. Somit kann Bitumen nur Mineralstoffe größerer
Oberflächenspannung bzw. Energie benetzen.
Das Benetzungsverhalten wird maßgeblich von der Viskosität
des Bitumens beeinflusst. Bitumen mit einem niedrigen
Härtegrad bzw. geringer Viskosität breiten sich auf einer
festen Oberfläche nach Einstellung des Gleichgewichtzustandes
weiter aus. Der Ausbreitungsdurchmesser ist im Vergleich mit einem
Bitumen hoher Viskosität größer. [12]
Ein übliches Maß für die Benetzung ist
der Kontaktwinkel zwischen einem Flüssigkeitstropfen und
einer Festkörperoberfläche. Der Kontaktwinkel wird zwischen
der Festkörperoberfläche und der Tangente der
Flüssigkeitsoberfläche an der Stelle, wo sie die
Festkörperoberfläche berührt, gemessen.
Das Benetzungsverhalten bezeichnet die Fähigkeit von
Flüssigkeiten, sich auf einer Oberfläche auszubreiten; je
besser die Benetzbarkeit, umso kleiner ist der bei der
Benetzung auftretende Kontaktwinkel.
Die häufig vertretende Meinung, nach der die Benetzung mit
abnehmender Oberflächenspannung zunimmt, trifft nicht im
Allgemeinen zu. Die Benetzung hängt immer von
den Wechselwirkungen beider beteiligten Phasen
Mineralstoff und Bitumen ab. [16]
3.5
Kontaktwinkel
Bei einer optimalen Benetzung spreitet eine Flüssigkeit
auf einer Oberfläche, verteilt sich also in einer
dünner werdenden Schicht selbstständig über
immer größere Flächen. Bei dem Spreiten der
Flüssigkeit müssen die adhäsiven Kräfte
größer sein
als die kohäsiven Kräfte und die Oberflächenspannung
der Auflagerfläche größer als die der
spreitenden Flüssigkeit.
Bei guter Benetzung erhält man einen relativ flachen
Tropfen mit großer Berührungsfläche zur
Oberfläche. Bei schlechter Benetzung
besitzt der Tropfen die Form einer mehr
oder weniger abgeflachten Kugel und perlt von der
Oberfläche
ab. Mit Hilfe des Kontaktwinkels q lässt sich die Qualität
der Benetzbarkeit quantitativ erfassen.
Flüssigkeiten besitzen neben solchen Eigenschaften wie der Dichte
oder Viskosität auch die der Oberflächenspannung. [22]
Der Kontaktwinkel ist von Heterogenitäten, Fremdstoffen und
von der Rauheit der zu benetzenden Oberfläche abhängig.
Deshalb ist es in der Praxis schwierig, aufgrund des
Benetzungsgrades Aussagen über die Adhäsion
zu formulieren. Der Benetzungswinkel ist daher kein
Maß für die Höhe der an der Grenzschicht vorhandenen
Bindungskräfte, sondern er beschreibt lediglich die
Benetzungsverhältnisse.
Im Allgemeinen kann man feststellen, dass eine gute Benetzung
gegeben ist, wenn die Oberflächenenergie eines Feststoffes
größer als die Oberflächenspannung der Flüssigkeit
ist. Nur in diesem Fall wird eine Substanz einer Oberfläche
adsorbiert.
Die Benetzung eines Stoffes mit Wasser und Luft als umgebendem Medium
hängt vom Verhältnis der Grenzflächenspannungen
Wasser/Luft, Festkörper/Wasser und Festkörper/Luft ab. Das Verhältnis
der Spannungen bestimmt z.B. den Kontaktwinkel eines
Wassertropfens auf einer
Oberfläche. Ein Kontaktwinkel von 0° bedeutet vollständige
Benetzung, das heißt, ein
Wassertropfen zerläuft zu einem Film (Abb.: 5).
Ein Kontaktwinkel von 180° bedeutet vollkommene
Unbenetzbarkeit, der Tropfen berührt die Oberfläche
in nur einem Punkt. Stoffe mit einer hohen Oberflächenenergie
werden besser benetzt als solche mit niedriger Oberflächenenergie,
wie z.B. PTFE (TEFLON®)
Abb.5: Benetzungsarten
3.6
Oberflächenspannung / Oberflächenenergie
Die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit stellt eine wichtige
Einflussgröße auf das Adhäsionsvermögen
dar. Die Oberflächenspannung beschreibt den Spannungszustand
an der Grenzfläche zwischen zwei Stoffen.
Unter einer Oberfläche versteht man die sichtbare Fläche
einer Flüssigkeit oder eines Festkörpers, die an ein
undefiniertes Gas, z.B. die normale Umgebungsluft, grenzt. Der Begriff
Grenzfläche bezeichnet die Fläche zwischen zwei festen oder
flüssigen bzw. festen gegen flüssigen Phasen. Mit abnehmender
Oberflächenspannung nimmt die Benetzungsfähigkeit des
Bitumens zu. [18]
Die Ursache für die Oberflächenspannung sind
Wechselwirkungskräfte zwischen benachbarten Molekülen. Im
Inneren ist die resultierende Kraft im Mittel Null und das Molekül
befindet sich im Gleichgewicht. Wenn ein Molekül an der
Flüssigkeitsoberfläche betrachtet wird, fehlt ein Teil
der Wechselwirkungen mit anderen Molekülen. Es findet
eine Wechselwirkung mit den Molekülen des
darrüberliegenden Gases bzw. Dampfes statt. Als resultierende
Kraft wirkt auf das Molekül an der Oberfläche eine nach
innen, senkrecht zur Oberfläche gerichtete Kraft (Abb.: 6). Daher
bilden Flüssigkeiten Formen, die durch die kleinstmögliche
Oberfläche (Kugelform) gekennzeichnet sind. Die
Größe der Oberflächenspannung nimmt somit mit
steigender molekularer Anziehungskraft im Innern zu.
Abb.6: Schema der
Oberflächenspannung
Da Flüssigkeiten bestrebt sind Minimaloberflächen
zu bilden, müssen zur Vergrößerung der
Flüssigkeitsoberfläche Moleküle aus dem Inneren in die
Grenzschicht gebracht werden. Dazu muss Arbeit W verrichtet werden,
wobei die potentielle Energie steigt. Um die potentielle Energie zu
einem Minimum werden zu lassen, neigt ein Flüssigkeitstropfen
dazu, eine möglichst geringe Oberfläche in Form
einer Kugel zu bilden. Die Zunahme der Oberflächenenergie ΔW ist
proportional der Oberflächenvergrößerung ΔA.
Oberflächenspannung:
[J/m2 , N/m]
Die Oberflächenspannung σ ist demnach ein Maß
für den Energiegehalt der Oberfläche, bzw. eine zur
Vergrößerung der Oberfläche definierte Arbeit,
dividiert durch den Zuwachs
der Fläche. Die Oberflächenspannung wird in der Einheit
Energiegehalt pro Fläche erfasst.
Die Oberfläche von Festkörpern kann nicht reversibel
vergrößert oder verkleinert werden. Bei Festkörpern
muss neben der nötigen Arbeit zur Schaffung neuer Oberfläche
auch Arbeit aufgewandt werden, um Bindungen zu brechen, die den
Festkörper zusammenhalten. Man spricht deshalb bei festen
Oberflächen nicht von Oberflächenspannung, sondern von
Oberflächenenergie. [20]
In der Literatur sind für Bitumen Oberflächenspannungen
zwischen 25 mN/m und 30 mN/m bei Temperaturen von 100°C
und 150°C angegeben. HUTSCHENREUTHER gibt eine nahezu
Unabhängigkeit der Oberflächenspannung von den
verwendeten Rohölen (Provenienzen), Herstellungsarten und
Bitumenhärten an.
Ergebnisse aus Oberflächenspannungsmessungen von E. THELEN (1958)
ergaben eine geringe Spreizung der Ergebnisse. Die
Oberflächenspannung an elf verschiedenen Bitumen wurden mit 25,8
+- 0,6 mN/m bei 25°C bestimmt. Mit je 10°C
Temperaturerhöhung nahm die Oberflächenspannung um 0,8 mN/m
ab. [23]
3.7
Grenzflächenspannung
Bringt man zwei Flüssigkeiten oder eine Flüssigkeit und einen
Festkörper in Kontakt, so kommt es an der Grenzfläche zu
molekularen Wechselwirkungen.
Für die Interpretation von Kontaktwinkelmessungen sind die
elektrostatischen Anziehungskräfte zwischen Dipolen von besonderer
Bedeutung. Man unterscheidet dabei die Wechselwirkungen zwischen
statischen und induzierten Dipolen, die als "Van der Waals-Kräfte"
bezeichnet werden.
"Van der Waals-Kräfte" ist die allgemeine Bezeichnung für die
anziehenden intermolekularen Kräfte. Sie umfassen die
physikalischen Wechselwirkungen zwischen permanenten Dipolen (Abb.: 7),
die Induktionswechselwirkungen zwischen Dipolen und polarisierbaren
Molekülen und die Dispersionswechselwirkungen (auch
London-Kräfte genannt).
OWENS, WENDT, RABEL und KAEBLE entwickelten zum erstem Mal die
Vorstellung, dass sich die Grenzflächenenergie entsprechend der
zugrundeliegenden Wechselwirkungen zwischen den Molekülen
aufspalten lässt. Sie unterschieden zwischen dispersen
Wechselwirkungen und polaren Wechselwirkungen.
Unter polaren Wechselwirkungen werden Wechselwirkungen zwischen
permanenten Dipolen und zwischen permanenten und induzierten Dipolen
zusammengefasst. Disperse Wechselwirkungen werden als
die Anziehung zwischen induzierten Dipolen
beschrieben. [13]
Die Wechselwirkungen aufgrund von zeitlichen Veränderungen in der
Ladungsverteilung innerhalb der Moleküle werden als disperse
Wechselwirkungen bezeichnet. Polarer und dispersiver Beitrag zur
Oberflächenspannung setzen sich additiv zusammen.
Demnach gilt:
Flüssigkeit: σl = σld +
σlp
Feststoff: σs = σsd + σsp
Die inneren Kräfte der Adhäsion werden üblicherweise in
zwei Gruppen, den polaren und unpolaren Wechselwirkungen geordnet.
Unter Dispersionswechselwirkungen versteht man die London –
Kräfte. Zu den polaren Wechselwirkungen zählen die Debye
(Dipol-induzierter Dipol), Keesom (Dipol-Dipol) und
Wasserstoffbrückenbrückenbindungen.
Tab.10:
Wechselwirkungen: polare / disperse Anteile
3.7.1 molekulare Wechselwirkungen
Moleküle, die eine unsymmetrische Verteilung von Ladungen
haben, besitzen ein permanentes oder statisches Dipolmoment.
Bekanntestes Beispiel ist Wasser. Diese Moleküle werden auch als polar
bezeichnet. Wenn sich zwei polare Moleküle bzw. permanente Dipole
(Abb.: 7a) einander nähern, so findet eine elektrostatische
Wechselwirkung zwischen den Dipolen statt.
Wenn sich ein polares Molekül einem unpolaren Molekül mit
symmetrischer Ladungsverteilung nähert (Abb.: 7b), so induziert es
in dem polarisierbaren Molekül ein Dipolmoment. Zwischen dem
permanenten Dipol des ersten Moleküls und dem induzierten Dipol
des zweiten Moleküls findet jetzt eine Wechselwirkung statt. Die
beiden Moleküle ziehen sich gegenseitig an.
Abb.7: Schematische
Darstellung der anziehenden Wechselwirkungen [2]
Zur Diskussion der Wechselwirkung zwischen zwei nicht-polaren
Molekülen, wie sie in Abbildung 7c dargestellt ist, betrachtet man
die Moleküle im Abstand R zueinander. Sie haben zwar keine
permanenten Dipolmomente, dennoch verändert sich die Position
ihrer
Elektronen und somit die Ladungsschwerpunkte. Sie haben daher ein
momentanes
Dipolmoment, das zeitlich variiert. Diese momentanen Dipole können
im benachbarten Molekül einen Dipol induzieren, woraus eine
Anziehungskraft
resultiert.
Diese Wechselwirkung zwischen induzierten Dipolen wird auch
Dispersions-wechselwirkung genannt, die dabei auftretenden Kräfte
werden nach ihrem Entdecker “London-Kräfte” benannt. In
nichtpolaren Molekülen bildet die Dispersionswechselwirkung den
Hauptanteil.
Sie entsteht durch Schwankungen der elektrischen Felder in den Atomen.
Ein gemeinsames Merkmal der wirkenden Kräfte ist, dass sie nur
wirksam werden können, wenn die reagierenden Phasen gegenseitig
nur einen sehr geringen Abstand zueinander haben.
3.7.2 Bestimmung der Grenzflächenspannung
Zur Bestimmung der Oberflächenspannungen bzw. der
Grenzflächenspannung existieren zahlreiche Verfahren. Ein
weit verbreitetes Verfahren ist die Methode des liegenden
Tropfens (sessile drop), bei der im Dreiphasensystem fest /
flüssig / gasförmig der Kontaktwinkel (oder auch
Randwinkel) θ als Maß für die Benetzbarkeit eines
Werkstoffes angesehen werden kann. Dieser Kontaktwinkel wird aus dem
Profil eines Flüssigkeitstropfens auf einer ebenen
Festkörperoberfläche ermittelt.
Das Kräfteverhältnis, das an der Kontaktfläche der drei
Phasen Luft, Flüssigkeit (liquid: l) und Festkörper (solid:
s) besteht, wird durch die YOUNG‘sche Gleichung beschrieben.
Young’sche
Gleichung ( 1 )
Abb.8:
Flüssigkeit auf Festkörper
σsl
: Grenzflächenspannung zwischen Phase1 und Phase 2
σ1 : Oberflächenenergie der Flüssigkeit
σs
: Oberflächenenergie des Festkörpers
Bei der Ausbildung einer gemeinsamen Grenzfläche zwischen fester
Oberfläche und Flüssigkeit wird die Energie W gewonnen. Diese
sogenannte Adhäsionsenergie W wird definiert als die Arbeit, die
geleistet werden muss, um eine Grenzfläche von 1cm2 Querschnitt zu
trennen.. [20]
Unter Beachtung der Normierung der Gleichung auf die Fläche, ist
also die Adhäsionsenergie Wsl gleich der Differenz der Summe der
Oberflächenspannung der Flüssigkeit und der
Oberflächenenergie des festen Körpers, vermindert um die
Grenzflächenspannung.
Adhäsionsenergie:
Wsl = σs + σl - σsl (2)
|
Durch das Einsetzten der Young’schen Gleichung erhält man folgende
Formel:
Adhäsionsarbeit: Wsl = σl – (1 + cosθ)
(1) in (2) = (3) |
Die Formel sagt aus, dass die Energie der Adhäsion von der
Oberflächenspannung des Bindemittels und von dem sich
einstellenden Winkel θ, der wiederum von den
Oberflächeneigenschaften des Mineralstoffes abhängt,
beeinflusst wird.
Entsprechend den grundlegenden molekularen Wechselwirkungskräften
kann man die Adhäsionsarbeit in Anteile aufteilen. Praxisgerecht
wird für die meisten Anwendungen eine Unterscheidung zwischen
Dispersionswechselwirkungen und polaren Wechselwirkungen gemacht:
W = Wpolar – Wdispers
(4)
Der disperse Anteil bezieht sich auf die London-Kräfte,
also der Wechselwirkung zwischen induzierten Dipolen, und tritt damit
an jeder Phasengrenze auf. Damit polare Anteile auftreten können,
sind polare Moleküle, also Moleküle mit permanentem
Dipolmoment, nötig. Die Grenzflächenenergien können
ebenso in Anteile aufgespalten werden, die sich additiv verhalten:
Grenzflächenenergie:
σp = polarer Anteil σd= disperser
Anteil
Die Grenzflächenspannung σsl jeder Phase lässt sich demnach in
polare und disperse Anteile zergliedern. Nach OWENS, WENDT, RABEL
und KAELBLE gilt folgende Gleichung:
σsl = σs – σl – 2
· ((σsd · σld)1/2 + ((σsp ·
σlp)1/2) (6)
|
Während der disperse Anteil die Dispersionskräfte
(London-Wechselwirkungen) beinhaltet, geht in den polaren Anteil alle Nichtdispersionskräfte
ein.
Die Auftrennung der Oberflächenspannung in die beiden Anteile ist
vor allem hinsichtlich der Adhäsion von Bedeutung, da ein
gutes adhäsives Verhalten eines Festkörpers mit einem hohen polaren
Anteil einher geht. Unpolare Materialien, wie z.B. PTFE
(TEFLON®), weisen hingegen nur niedrige bis gar keine polaren
Anteile auf. [12], [13]
3.8 Einfluss
von Wasser
Das Auftreten von Wasser ist als Hauptgrund bei
Ablösevorgängen im Asphalt anzusehen. Die Praxis
hat gezeigt, dass bei hohlraumreichen Asphaltschichten vermehrt
Haftungsschäden
festgestellt werden konnten.
Betrachtet man einen Tropfen Bindemittel auf einer
Gesteinsoberfläche, wird der negative Einfluss des Wassers auf die
Haftung deutlich. Das Bindemittel zieht sich durch die Einwirkung von
Wasser im fortschreitenden Ablösevorgang zu einer Kugel
zusammen, die letztlich ihre Haftung am Gestein verliert.
Abb.9: Bindemittelablösung infolge
Wassereinwirkung auf Gesteinsoberfläche [14]
Wasser ist eine dipolare Flüssigkeit. Ein Dipol besitzt
einen positiven und einen negativen Ladungsmittelpunkt. Die
Ladungsmittelpunkte haben einen festen Abstand zueinander und
können daher keine Verbindung eingehen.
Die dipolaren Wassermoleküle werden von einer hydrophilen
Mineralstoffoberfläche leicht angezogen, damit
sättigen sich die im Ungleichgewicht
befindlichen Oberflächenladungen.
Der Literatur ist zu entnehmen, dass der pH-Wert des Wassers einen
bedeutsamen Einfluss auf das Haftverhalten
zwischen Bitumen und Bindemittel
ausübt. Es wurde belegt, dass ein hoher pH-Wert das Haftverhalten
an basischen Mineralstoffen und ein niedriger pH-Wert an sauren
Mineralstoffen
verbessert. In der Literatur gibt es über das Haftverhalten
zwischen
Mineralstoff und Bitumen unter Einfluss von unterschiedlichen pH-Werten
des Wassers keine konkreten Nachweise. [17]
|